Algerien: Expedition von Tamanrasset bis Tunis
(Bernhard Gravenkamp)
Sonntag, 17. Oktober
Am Vorabend hatten wir das Gepäck bereits eingecheckt 43 kg). Abflug mit SR
MD-81 nach Tunis. In der Transithalle erwartet uns bereits der Rest der
Reisegruppe. Um 15.00 Uhr Weiterflug mit Air Algérie 727 nach Algier, wo wir im
Regen, der kurze Zeit später aufhört, landen. Die Zollkontrolle geht schnell,
dann werden wir ins Hotel El Riad, im Westen von Algier am Meer gelegen,
gebracht, die Fahrt dorthin dauert fast eine Stunde. Zimmerbezug und
Pflichtumtausch. Bei einem Apéritif warten wir auf eine zweite Tourgruppe.
Endlich, um 20 Uhr, sind dann alle beisammen, und eine feine Fischsuppe mit
Rouille, Sardinen frittiert und Kartoffeln, als Nachspeise gibts Obst, wird
aufgetragen, dazu wird algerischer Rotwein serviert.
Montag, 18. Oktober
Um 4.00 Uhr wird geweckt, das Frühstück kommt allerdings erst kurz vor fünf,
dafür gibt es Brioches und Croissants. Nach der rassigen Fahrt zum Flughafen und
dem Einchecken des Gepäcks nach Tamanrasset haben wir noch genug Zeit, um am
Flughafen gemütlich Kaffee zu trinken. Kurz nach sieben startet die bis auf den
letzten Platz gefüllte 727 nach Tam. Gleich nach dem Start gehts durch eine
Wolkendecke und ein langgezogene Kurve nach rechts, erst nach einer halben
Stunde Flugzeit klart es unter uns auf, und die ersten Wüstengebiete mit Sand
tauchen auf. Wir überfliegen Ghardaia, El Goléa und In-Salah. Die jetzt
sichtbare Grundfarbe wechselt von sattem Braun in hellere Farben, häufig
unterbrochen von Dünenketten. Auf dem letzten Stück sieht es aus wie auf
Satellitenbildern von Flussgebieten mit verschiedenen verlaufenden Strukturen.
Vor Tamanrasset überfliegen wir vermehrt Bergzüge, hohe Felsen, am Schluss dann
das Gebiet des Atakor. Während der Landung sehen wir unseren Magirus-Deutz zum
Flughafen fahren. Ankunft kurz vor zehn und Begrüssung des zweiten Tourleiters,
H. Verladen des gesamten Gepäcks in den hinteren Teil des Wagens. Bei
Kilometerstand 114'920 geht unser motorisierter Reiseteil los. Vorerst fahren
wir aber erst ein kurzes Stück, in die Stadt Tam. Hier haben wir zwei Stunden
Zeit, um per Pedes dieses Kaff und auch den Polizeiposten kennenzulernen. Die
Gruppe verläuft sich in Kleinstgruppen, zwischendurch trifft man aber immer
wieder auf jemanden, da Tam nicht so gross ist, und das Zentrum sich auf eine
Fussgängerzone mit Markt konzentriert. Hier sehen wir dann schon unser erstes
vierbeiniges Kamel (Dromedar) mit Reiter. Der Markt an sich bietet nichts
Besonderes. Zufällig treffen sich dann alle am selben Ort zum Essen. Zur
abgemachten Zeit fahren wir zum Campingplatz von Tam. Dort lassen wir uns auf
den Campingstühlen gemütlich nieder und geniessen vorerst einmal die Hunde und
Katzen, die um uns herumschleichen. Gegen 17 Uhr fahren wir nochmals in die
Stadt und haben vor dem Essen noch Zeit für eine zweite Besichtigung und Kaffee.
Der Hunger ruft die ganze Gruppe früher zum Treffpunkt, so sitzen alle mitten
auf dem Dorfplatz, umringt von lauter schwarzhaarigen Männern.

In Tamanrasset.
Nach dem Essen, das vorbestellt ist (es gibt vorzügliches Couscous und
Salat), gehts zurück zum Campingplatz, wo die Schlafplätze bezogen werden. Wir
beide schlafen auf dem Dach des Expeditionsfahrzeuges, da wir keine Lust haben
in der ersten Nacht von herumstreunenden Hunden und Katzen belästigt zu werden.
Abgesehen davon gibt es eine unendliche Vielfalt von Ameisen.
Dienstag, 19. Oktober
Am nächsten Morgen ist allen klar, dass wir so nirgends mehrschlafen wollen,
denn die Hunde kläfften die ganze Nacht und schon um fünf ging der Berufsverkehr
los. Also frühstücken, zusammenpacken und Grosseinkauf von Gemüse und Früchten
auf dem Markt. Für neun Leute kommt da ja einiges zusammen. Die konservierten
Sachen sind bereits an Bord. Um die Mittagszeit verlassen wir Tam Richtung
Süden, ein kurzes Stück ist asphaltiert und bei einer abzweigenden Piste biegen
wir nach Nordosten ab. Kurze Zeit später, nach etwa acht Kilometern, kommen wir
zu den ersten hohen Basaltsäulen.

Kurz nach Tamanrasset.
Die sportlichen unter uns gehen bei dieser Bullenhitze zu Fuss, wir zwei
bleiben auf/im Wagen. Wir kommen zur Quelle Source Chapuis. Dort bunkern wir
vierhundert Liter frisches Quellwasser und bekommen ein kleines Mittagessen, das
in einem opiumhöhlenmässig aussehenden Raum serviert wird. G. freundet sich
gleich mit einer Mädchenschar an. Über eine teilweise steile Strecke verlassen
wir die jetzt nur noch schwach bewachsene Ebene und kommen in die Gegend des
Akerakar, einer schwarz-vulkanischen Gegend, praktisch ohne Vegetation, wo in
einem kleinen sandigen Wadi der erste Lagerplatz in der Wildnis aufgebaut wird.

Unser Expeditionsfahrzeug, ein ehemaliges Feuerwehrauto.
Die unter freiem Himmel nächtigen geniessen die Sternenpracht, die
Milchstrasse und unzählige Sternschnuppen.
Mittwoch, 20. Oktober
Kurz vor halb sechs wir es langsam hell. Von der nächstliegenden Anhöhe kann
man jetzt das Aus-dem-Zelt-schälen beobachten. Nach Frühstück und Packen geht es
weiter. Auch auf diesem Stück ist ein steil abwärts führendes Wegstück zu Fuss
zu bewältigen, um die Mittagszeit gelangen wir nach Afîlal. In diesem Guelta
gibt es sogar Fische, Siebenflösser aus Dionsaurierzeit, und man kann auch
baden, allerdings hält uns die frische Wassertemperatur davon ab. Nach dem Bad
gibt es Essen und gleich anschliessend Tee, der vor einer kleinen
Einsiedler-Touristen-Hütte serviert wird. In den Nachmittagsstunden geht es
weiter bergan. Durch tolle Basaltberge, – über ruppige
Bachbettschlaglochstolperpiste erreichen wir unseren Rastplatz auf 2200 Metern
über Meer, inmitten des Hoggar, unterhalb des Assekrem.

Ausblicke im Hoggar.

Mondlandschaft – soweit das Auge reicht.
Der Sonnenuntergang auf der nächsten Anhöhe mit entsprechender Foto-Action
und Abendessen beschliessen diesen Tag.
Donnerstag 21. Oktober
Um 4.30 Uhr Frühstück und Abmarsch in absoluter Dunkelheit. Mit
Taschenlampen bewaffnet erreichen wir nach einer guten Stunde die Ermitage des
Pierre de Foucauld. Auf dem Gipfel beginnt es jetzt langsam hell zu werden.

Mystischer geht es nicht mehr.
Die ganzen schönen Farbverlaufsregister werden gezogen; nach einer ganzen
Weile springt die Sonne um 6.13 Uhr über den Horizont. Die Ausblicke in die
verschiedenen Richtungen sind schlicht beeindruckend.

Sunrise auf dem Assekrem.
Der Abstieg zum Lager bei Tag geht zügig. Dann Frühstück Nummer zwei und
Abfahrt Richtung Hirhafok. Die Strasse ist sehr steil und in sehr schlechtem
Zustand.

Vor der Weiterfahrt Richtung Norden.
Von Ferne tauchen skurrile Zacken aus Granit, Überreste eines
Explosionskraters, auf. Da bald Mittagszeit ist, geht man das letzte Stück zu
Fuss.

Wie eine Horde riesiger Ausserirdischer.
Bei der routinemässigen Fahrzeugkontrolle entdeckt der Chef von Geo-Tours,
einen Federbruch an drei Stellen am linken Hinterrad, was eine ausgedehnte
Reparatur nötig macht. Da wir an windexponierter Stelle stehen, werden vorab
indgeschützte Plätze zum Sitzen, etwas später dann auch zum Zelten gesucht. Die
gesichtsförmigen Felsstrukturen der nahe gelegenen Anhöhe wirken mit jedem Licht
und jedem Standort wieder anders, sodass diese unvorgesehene Zwangspause nicht
ungelegen kommt. Ein kleiner Vogel, eine Wüstenschwalbe, fliegt zu und ist so
zutraulich, sprich aufdringlich, dass wir ihn mit ins Zelt nehmen können.
Freitag, 22. Oktober
Den Sonnenaufgang sieht B. diesmal vom «Tischchen». Das Licht auf den
umstehenden Säulen verändert sich in Minutenschnelle.

Das Tischchen.

Vor Sonnenaufgang.
Von der gegenüberliegenden Seite des Kraters ist die runde Form des
ehemaligen Kraters sehr gut sichtbar, das Halbrund wirft denn auch das Echo
x-fach zurück. Nach dem Frühstück gehen wir zu dritt, zusammen mit J., die
Kletterei von der anderen Seite an, die Aus- und Durchblicke sind einmalig. Nach
dem Mittagessen können wir weiterfahren. Durch sehr karge Landschaften, sprich
Steinwüste, mit leicht sandigen Pistenabschnitten dazwischen, vorbei an wilden
Eseln, Dromedaren und Gazellen, die in einem Affentempo flüchten, gehts bergab
und, seltener, bergauf. Von Ferne sehen wir zwei Palmen. Issakkurassene heisst
dieser kleine Flecken, der aus einem Canyon von etwa sechshundert Metern Länge
und dreissig Metern Höhe aus Basaltsäulen und kleinen Wasserbecken besteht. Hier
starten wir den ersten Versuch von mitgebrachter Musik.
Samstag, 23. Oktober
Nach dem Frühstück und «Dusche aus Teegläsern» fahren wir weiter. Über
verschiedene unbewachsene Talsohlen gehts bergab. Von einer Kuppe mit sehr
schlechter Strasse sieht man in der Ferne ein bisschen grün. Die Landschah
ähnelt hier sehr stark an Namibia. Wir erreichen kurz darauf Hirhafok. Ein paar
Dutzend Häuser, aber umsomehr Kinder: stylo-photo. Kurz nach der Ortschaft, wo
wir noch ein paar wenige Kanister mit Wasser füllen, kommen wir zu einem Felsen
mit prähistorischen Felsritzungen. Die Felsformationen, durch die wir fahren,
sehen aus, als ob man durch einen Stein-Zoo fahren würde. Über grosse Ebenen
fahren wir auf der Piste Richtung Mertoutek. In einem riesigen Wadi machen wir
Holzsammelstopp, der sandige Boden und die dazwischenliegenden Sandanhäufungen
mit Sträuchern und wild verwachsenen Bäumen sehen aus wie kleine Inseln. Auch
unser Lagerplatz liegt in einem schönen Wadi. Wolken verdecken vorerst den stets
heller werdenden Mond. achherwird es hell, und so können wir die zwischen
unseren Zelten trappenden und brüllenden Kamele nicht nur hören, sondern auch
sehen.
Sonntag, 24. Oktober
Nach dem Frühstücken und Packen verlassen wir nach einer knappen Stunde die
Piste und fahren erstmals richtig Off-Road durch mehrere Wadis nordwärts. Bei
einem kleinen Einschnitt wird die Strecke zunehmend schlechter, sodass wir
dieses landschaftlich sehr schöne Stück, mit Felsen, Sand, Palmen und Grünzeug
durchwandern müssen. Hier finden wir duftende Pflanzen, die aussehen wie
Lavendel und auch ähnlich riechen, gemischt mit Oregan-Duft. Eine Pflanze duftet
wie Sellerie. In dem Wadi sehen wir auch wie hoch das Wasser in früherer Zeit
geflossen ist. Nach dem Flusstal gehts links über ein längeres Schotterfeld, wo
uns ein einzelner Tuareg anhält. Seinen Hinweis, zum Geisterberg könnten wir
nicht fahren, das sei zu gefährlich, ignorieren wir. Mittagsrast machen wir an
einem rund fünfzig Meter hohen Granitberg, an dessen östliche Seite Sand
angeweht wurde, was zum ersten sandigen Essen und ersten Rugelpartien führt. Von
dem Berg hat man auf alle Seiten herrlichen Blick auf das immer stärker von
Wolken überzogene Tal. Wir folgen dem Wadi, die Wolkendecke schliesst sich – es
ist ja Sonntag – also kann es auch hier in der Sahara regnen. Zwar nur für eine
Viertelstunde, aber immerhin. Eine gute Stunde später, auf Lagerplatzsuche,
halten wir in einer auf einer Anhöhe liegenden Senke. Und dann kommt eine braune
Wand. Innerhalb zwei Sekunden ist da nur noch Sand, nach fünf Minuten ist der
Spuk vorbei und wir fahren weiter. Am Lagerplatz inmitten eines Wadis haben wir
Blick auf den Gâret-el-Djenoûn und einen Regenbogen. Die Geister haben am
nächsten Morgen mit unermüdlichem Gebläse ihre Arbeit reichlich getan.
Montag, 25. Oktober
Nach zwei Stunden Fahrt gelangen wir zu einem Brunnen, wo das Wasser aus
etwa dreissig Meter Tiefe heraufgezogen wird. Eine schöne Dusche und alles ist
wie neu. Das Mittagessen wird auch hier serviert. Am Nachmittag machen wir uns
mit Hilfe von GPS-Satelliten-Navigation auf Brunnensuche, bei einem ersten Halt
bläst es wieder so heftig, die Wirkung der Dusche ist schon fast wieder dahin.
Anschliessend fahren wir erstmals über ein sanftes Sandfeld. Der Lagerplatz
liegt heute in einer endlosen Ebene bei einer Tamariske. Die Wadi-typischen
Sandhügel dienen als Windschutz für die Zelte.
Dienstag, 26. Oktober
Am Erg Telachimt geht es in aller Herrgottsfrühe (9.15 Uhr) weiter. Das
übliche Prozedere, aber heute gibt es das gestern eigens gebackene Frühstück.

Im Sandmeer, der kleine Punkt ist unser Fahrzeug.
Dass wir heute noch einen rund stündigen Fussmarsch – und das bei 40 Grad im
Schatten über tolle Sanddünen auf uns nehmen müssen, dürfte mit ein Grund sein,
weshalb es wie sonst um Durst zu bekommen, heute ausnahmsweise keine Salznüsse
gibt. Nach der Überquerung dieses Dünenzuges sind alle heilfroh, als wir unsere
Kiste wieder besteigen und somit in den Schatten dürfen. Durch das um unser
Eigengewicht reduzierte Gesamtgewicht des Fahrzeuges hatte B. weniger Probleme
beim Befahren der doch teilweisesteilen, bis zu dreiundreissig Grad Neigung,
aufweisenden Dünen. Mittagsrast ist in einem kleinen abgeschlossenen Wadi.
Während der Pause wird der Reifendruck wieder erhöht. Auf der Weiterfahrt
gelangen wir in ein weiteres Tal ohne Ausgang. Hier sind die frühzeitlichen
Spuren der Tierherden besonders gut zu sehen. Wir kommen zu einem weiteren
Brunnen, der allerdings leer, dafür mit umsomehr Tierknochen beeindruckt.
Landschaftlich ist der heutige Tag einer der beeindruckendsten, was speziell die
Farbkontraste betrifft. Das Lagerwird heute etwas früher in einer Senke
eingerichtet. Dafür bleibt Zeit für eine kleine Minikletterei, wo Feuersteine zu
finden sind. Da sich der Wind zusammen mit der Sonne schlafen legt, zügeln wir
das Zelt auf einen kleinen Dünenkamm.
Mittwoch, 27. Oktober
Das Zügeln hätten wir besser unterlassen, denn in der Nacht beginnt es
leicht zu regnen. Als es noch sandig zu winden beginnt, lege ich mich auch ins
Zelt. Bei dieser Windstärke ist es unmöglich das Überzelt zu montieren. Es
regnet zeitweise sehr stark, sodass am Morgen alles im und ums Zelt nass ist.
Beim Frühstück pisst es erneut, es wird schnell gepackt und ab die Post. Etwa
zwei Stunden später, inzwischen knallt die Sonne schon kräftig, erreichen wir
ein farbiges Dünengebiet.

Am Morgen nach dem nächtlichen Regen.
Die Regenfälle und der Wind der letzten Nacht haben durch die
unterschiedlich grobe Körnung des Sandes grafische Muster in die Dünen
gezaubert. Über ein flaches Stück fahren wir Richtung Norden, nach Mittag
erreichen wir einen Steinzoo mit dem Geo-Tours-Stein.

Ein oft geknipster Felsen: der Geo-Tours-Stein.
Bei der Mittagsrast machen wir Auslegeordnung und haben in kurzer Zeit auch
alles wieder trocken. Gegen Abend folgen wir der Piste und sehen während
längerer Zeit den Erg Amguid mit sehr hohen Dünen auf der rechten Seite.

Erg Amguid von gleicher Stelle, der Blick nach rechts...

... und nach links.
Auch von unserem Lagerplatz aus sehen wir die Sandsicheln im Mondschein.
Unser Zelt steht diesmal am Rande eines kleinen flachen Dünengebietes.
Donnerstag, 28. Oktober
Zu Beginn fahren wir durch ein steiniges Tal, das von felsigen Bergen
gesäumt ist, und zweigen dann von der Piste, die weiter nach In-Salah führt, ab.
Hier sehen wir wieder mal ein Auto mit zwei Tuaregs, die selbstverständlich mal
gucken wollen. Eine endlose dunkelgraue Kieswüste liegt vor uns, nur auf der
linken Seite begleitet uns zu Beginn ein kleiner Höhenzug. Nur ganz selten sieht
man einen kleinen Strauch ode ein paar mickrige Büsche. Mittagsrast ist an der
Stelle, wo wir die nächste Piste kreuzen. Auf der Weiterfahrt fahren wir über
riesige Stein- und Kalkwüstenflächen. Wobei letztere durch die Verwitterung sehr
skurrile, hauptsächlich weisse und hellgraue, Skulpturen, teils bis zu einem
halben Meter hoch, die ganz metallisch klingen, interessant wird.

Fata Morgana: wann gehen wir baden?
Auch heute staunen wir wieder einmal über die sich auf kurzen
Streckenabschnitten sehr schnell verändernden Landschaftsstrukturen:
Kieselwüste, die wir während Stunden überqueren; in der Ferne Tafelbergzüge;
Riesenschollen wie graue Ziegel, die teilweise mitverschiedenen Farben überzogen
wirken; andere wie Spachtelmasse; Sand, auf dem poröse Steine liegen, die wie
Bienenwaben aussehen. Die Farbtöne der Steine reicht von zartrosa bis bordeaux
und lila, allerdings wird diese Wirkung nur mit der Sonnenbrille vollkommen
erreicht. Unser Ziel ist die vage Ortsangabe und -Lage eines Meteoritenkraters.

Kleine Echse in kleinem Wadi.
Wir landen in einem kleinen Wadi, mit vielen Tierspuren und unzähligen
Eidechsen. Auf dem nächstgelegenen Berg geniessen wir den Blick über den
ehemaligen Meeresboden und den vollkommenen Sonnenuntergang.

Blick auf einen ehemaligen Meeresboden(?)
Freitag, 29. Oktober
Heute ist es erstmals windstill, normalerweise geht man von dreissig
windstillen Tagen im Jahr aus. Wir verlassen unseren Lagerplatz Richtung Süden
und kommen an eine steile Abbruchkante, die B. umfahren muss. In dem
darunterliegenden Tal findet G. die berühmteste Echse der Sahara, genannt die
Foto-Echse.

Die Foto-Echse.
Unweit davon finden wir unzählige versteinerte Muscheln, Seeigel, usw.

Muscheln und Schnecken.
Der Rest des Tages kann mit in einem einzigen Satz erzählt werden: Stunde um
Stunde fahren wir durch fast topfebene Kieselsteinwüste. Mittagsrast ist wieder
an der Kreuzung zur anderen Piste. Im Laufe des Nachmitags stossen wir auf ein
totes Kamel, welches in der für Kamele typischen Schlafstellung daliegt. Wie
erbarmungslos die Wüste sein kann, wird hier deutlich. Am Abend sehen wir dann
endlich ein paar Couloirs mit Sand-Pumps, über die soeben er Mond aufgeht. Wir
lagern leicht unterhalb einer Sandkuppe, unweit unter uns lagert eine
italienische Gruppe mit Motorrädern und insgesamt acht Fahrzeugen.
Samstag, 30. Oktober
Nach Frühstück und Packen geht es über die Sandkuppe steil hinunter ins
nächste Tal, dem wir Richtung Süden folgen, wo wir zwei Brunnen ansteuern
wollen. Den ersten finden wir bei der wenig hartnäckigen Suche nicht. Zwischen
den beiden Brunnen liegen endlose Kiesebenen, die teils zügig (bis zu vierzig
Stundenkilometer), teils auch nur im Schritttempo überholpert werden können.Der
zweite ist total ausgetrocknet, auch nicht weiter erstaunlich, da er inmitten
eines Wadis im kochend heissen Sand liegt. In der Nähe finden wir auch alte
Gräber. Nach der Mittagsrast am trockenen Brunnen folgen wir dem Wadi Richtung
Osten bis wir die Ausläufer des Erg Issaouane erreichen. B. lässt noch mehr Luft
aus den Reifen, von normal 3.8 bis auf 1.7 atü, aber wir kommen nicht viel
weiter, da die topografischen Formen der Dünen nur noch ein Weiterkommen per
Pedes erlauben. Wir machen noch einen Marsch zu einer in unbestimmter Entfernung
liegenden Sandpyramide, als Sicherheit hinterlassen wir kleine Steinmännchen.
Die hereinbrechende Dunkelheit, noch dazu bei bedecktem Himmel, zwingt uns auf
der ersten roten Vordüne, die über einer tiefen Kule liegt, den eiligen
Rückmarsch anzutreten, wobei die Steinmännchen uns dabei helfen. In den rund
anderthalb Stunden haben wir immerhin so etwa sieben Kilometer zurückgelegt. Am
Abend wird innerhalb der Gruppe einmal mehr der Wunsch geäussert, einmal einen
Tag irgendwo zu bleiben, damit wir auch einmal die Wüste «zum anfassen»
geniessen können und nicht nur durchschnittlich sieben Stunden im Auto sitzen
müssen. Leider ist es auch hier nicht möglich zu rasten, da unsere Wasservorräte
langsam zur Neige gehen.
Sonntag, 31. Oktober
Durch die rationierten Wasservorräte ist es natürlich unmöglich auch nur
einen Tropfen zum zum Waschen von Klamotten zu vergeuden, sodass B. sich ein
T-Shirt von Geo-Tours zulegen muss, da wir beide schlicht keine frische Wäsche
mehr haben. Am Morgen landet ein kleiner Vogel im Innern des Wagens, aber blinde
Passagiere haben hier nichts zu suchen. In diesen endlosen Sanddünen wird es
brutal heiss. Der von den meisten Teilnehmern gewünschte Besuch des Khanfoussa,
eines schwarzen Berges, der inmitten von Sanddünen liegt, muss gestrichen
werden, da die Reise dorthin einen ganzen Tag in Anspruch nimmt. In den
Dünengebieten stehen wir stets vor neuen Grenzen, das heisst viele Dünen sind zu
steil um überfahren zu werden, so muss man sie relativ weiträumig umfahren, was
viel Zeit in Anspruch nimmt, aber unvergleichliche Ausblicke bringt.

Halt auf der Düne.
Wir folgen dem westlichen Rand des Erg Issaouane Richtung Norden, am
späteren Nachmittags gehts hinein in die Dünen, wo wir auf einem kleinen Plateau
mit wunderschöner Aussicht lagern. B. erkundet zu Fuss die
Ausfahrtsmöglichkeiten. Als Überraschung haben unsere Tourleiter zwei Flaschen
Sekt gekühlt, um die klare Vollmondnacht zu feiern.
Montag, 1. November

Ein Blick ins Schlafzimmer mit tausend Sternen.
Bis zu dem vermeintlichen Ausgang aus dem Dünenmeer gehen wir zu Fuss. Ein
etwa zehn Meter langes Sandcouloir erweist sich nach anderthalbstündiger
Buddelei mit Sandblechen als zu steil, der Sand als zu tiefgründig, sodass wir
das letzte Stück zurückeiern müssen. Wir kehren um und B. turnt mit einmaligem
Instinkt auf eine Düne, die einen tollen Ausblick auf die Ebene bietet, wo auch
gleich Mittagsrast ist. Dann geht es über endlose Stein- und Kieselwüsten. Nur
die zunehmenden Wolken und eine breite Staubfahne sind die einzigen Lichtblicke
des endlosen Nachmittages. Unser Lager befindet sich inmitten von Sanddünen in
einer grossen flachen Senke.
Dienstag, 2. November
Wieder über Kieselwüste geht es weiter. Interessante Felsformationen mit
spinnenwebartigen Gipsschichten und der Ausblick ins Oued Irhurrhar verkürzen
die Fahrt zurück bis zur Strasse.

Farbige Felsen.
Nach 970 km Off-Road, 1160 km Totaldistanz, fahren wir erstmals wieder auf
sphalt. Das Gefühl schneller als vierzig zu fahren, löst fast einen
Hochgeschwindigkeitsrausch aus. Nach einer Stunde Asphalt-Blochen sehen wir zu
unserer Linken eine dicht mit Schilf bewachsene «Insel». Nach drei Kurven trauen
wir unseren Augen kaum: während wir uns in der Gluthitze aus dem Auto qualen, es
ist gerade Mittagszeit, sitzt unser Fahrer bereits in der Badehose inmitten der
aus einem Rohr sprudelnden Quelle. Kaum zu glauben, aber da sprudelt
unaufhörlich fünfundreissig Grad heisses Wasser in ein kleines Bächlein. Aber
wer hat schon Lust bei dieser Hitze in noch heisseres Wasser zu steigen? Alle
zaudern, dann kommt der Befehl: zuerst die Frauen, und dann die Männer. Tapfer
fahren wir aus den Kleidern und hocken zu viert, mit unseren Duschutensilien
bewaffnet, im warmen Nass. Nachdem alle ausgiebig badeten, ist die Quelle für
Wäschewaschen freigegeben. Endlich, nach über siebzehn Tage ohne Waschen. In
Eile wird das Wichtigste gewaschen und über den Schilf-Stengeln zum Trocknen
ausgelegt. Bei der Mittagshitze ist die Ware im Nu trocken und es geht weiter
nach Hassi-El-Gebbour, wo wir dann nach ganzen sechs Tagen die ersten Autos
sehen. Am Abend packt G. die ganzen Stein- und Sandfunde sowie das am Nachmittag
gesammelte versteinerte Holz in die schmutzige Wäsche, weil es in zwei Tagen
über die Grenze gehen soll. Um uns den Schock der Rückkehr in die Zivilisation
heute schon zu ersparen, campieren wir ein paar Kilometer von der Teerstrasse
entfernt zwischen wunderschönen und auch recht hohen zweifarbigen Sanddünen. Die
kurvenreichen Formen bieten ein ideales Fotoobjekt. Nach der uns seit vierzehn
Tagen vertrauten Stille schmerzen nicht nur die von weitem vorbeifahrenden und
trotzdem hörbaren Camions sondern vorallem der Gedanke daran, dass wir sehr bald
wieder sehr lautes Terrain betreten. Der schöne frühe Abend wird empfindlich von
Tausenden von Sandfliegen und Fliegen gestört, die sich, sobald die Sonne weg
ist, verziehen, aber um zehn Uhr in beängstigenden Schwaden anrücken.
Mittwoch, 3. November
Gegen sieben Uhr steht plötzlich P. total vermummt vor unserem Zelt und
meldet happige Flugangriffe, die die ganze Nacht gedauert haben und jetzt am
Morgen mit neuer Heftigkeit über uns hereinbrechen. Gottlob haben wir im Zelt
übernachtet, obwohl der Abend gestern mild und voller Sternen war. Lieber
verschwitzt als verstochen, denn bei diesen Sandfliegen gibt es immer welche die
stechen können. Auf jeden Fall war noch nie so schnell gefrühstückt und gepackt
worden. Etwa zweihundert Kilometer vor Hassi Messaoud hält unser Wagen vor einem
interessanten Gebilde, halb Lastwagen, halb Seifenkiste, halb Hundehütte, in
Wirklichkeit aber einem rudimentären Caféhaus.

Wüstencafé.
Es wird von einem dünnen älteren Algerier geführt, der ganz allein mit einer
Schar Hunde lebt. Es gibt Kaffee und einen Schwatz, wobei genügend Zeit
verbleibt, die Tinguely-Konstruktion mit 24 Zylindern zu besichtigen. Im Gassi
Taouil fahren wir Richtung Norden. Ein kurzer Mittagsstopp findet bei dem
Weizenzuchtprojekt statt. Vor uns kreuzt eine kleine Kamelherde die Strasse. Von
weitem, es ist zur Abwechslung wieder mal bedeckt und es fallen ein paar
Tropfen, sehen wir die grellen Fackeln und schwarzen Rauchwolken der Erdölstadt
Hassi-Messaoud. Ein kurzer Halt dient dem Einkaufen und, durchs Autofenster, dem
Schnuppern von algerischer Stadtluft. Kurze Zeit später verdrücken wir uns und
lagern unweit der Hauptstrasse.
Donnerstag, 4. November
Um die übliche Zeit gibts das übliche Frühstück und Abfahrt Richtung
Touggourt. Der Himmel ist wieder mal bedeckt, allerdings sind die
Sehenswürdigkeiten links und rechts der Asphaltstrasse auch nicht gerade
sensationell. Abgesehen von den Ständen mit Sandrosen und recht flacher
Landschaft, zwischendrin mal eine kleine Siedlung mit Trichterpalmpflanzungen,
gibt es nichts zu sehen. Gegen eins erreichen wir El Oued.

Ein Metzger aus Nordafrika... Guten Appetit!
Um die Mittagszeit ist nicht viel los, sodass wir nach einem kurzen Rundgang
ein feines Poulet in der Nähe des ausgestorbenen Marktes mampfen und kurz danach
Richtung Osten weiterfahren. In den kleinen Siedlungen widmen sich die Gofen
dort ab und zu dem Steinewerfen auf auf Touristen-Autos. Der Grenzübergang,
zwischendrin regnet es auch mal wieder, verläuft in dem dort üblichen Rahmen,
Ausreise eine Stunde, Einreise in Tunesien eine zweite Stunde. Dafür werden wir
dann innerhalb von 30 Minuten nach der Grenze noch dreimal kontrolliert – die
Standardfrage: what is your job – ist fast lustig. Gegen zehn erreichen wir dann
den Campingplatz von Tozeur. Nach dem kleinen Znacht schlafen wir erstmals
wieder in einem Bett, welches in einem Campingzimmer steht. Auch die heisse
Dusche wird ausgiebig genossen.
Freitag, 5. November
Nach dem Frühstück haben wir am Vormittag Zeit, uns Tozeur ein wenig
anzusehen, Kaffee zu trinken und Datteln und feines Brot zu kaufen.

Souk von Tozeur.
Tozeur ist bekannt als Anbauort der weltbesten Datteln. Die Weiterfahrt
führt uns durch Chott El Jerid, einen riesigen Salzsee, der durch einen Damm,
auf dem die Strasse läuft, geteilt wird.

Eine endloses Blau.
Die Farben reflektieren in unterschiedlichen Rosé-Tönen bis zu gleissendem
Weiss. Auf dem Weg zur Küste folgen wir dem Jebel Tebaga, einer Bergkette auf
der rechten Seite. Von Ferne sehen wir das Meer, allerdings kommen wir erst nach
Sonnenuntergang an unserem Lagerplatz am Beach in Nakta an. Die
Manöverbesprechung nach dem Nachtessen ist nicht jedermanns Sache.
Samstag, 6. November
Das erste Etappenstück führt uns nach Sfax, einer mittelgrossen Stadt mit
unendlich vielen Lichtsignalen. Der erste Stopp ist kurz vor Mittag in El Jem,
wo es ein Amphitheater zu besichtigen gäbe. Nach einem kleinen Spaziergang
rundherum entscheiden wir uns aber für den Markt und einen Tee in einem kleinen
Nicht-Touri-Lokal.

Gewürzstand in El Jem.
Via Sousse gelungen wir nach Hammamet, wo zwei unserer Gruppe noch eine
weitere Ferienwoche anhängen. Der Aufenthalt in dem von Animations-Action nur so
bebenden Club lässt uns knapp eine Stunde später flüchten, nachdem G. noch
unfreiwillig zu zwei Kindern gekommen ist. Nach dem letzten Autobahnstück
gelangen wir nach Tunis, wo das Leben toll pulsiert, wir aber zum Glück ein
Hotel ausserhalb, in Carthago, beziehen. Das Abschiedsessen ist fein, die
Stimmung etwas gedämpft. Wir packen und hören der einheimischen Band zu.
Sonntag, 7. November
Nach dem Frühstück setzen wir uns, die letzten südlichen Sonnenstrahlen
geniessend, auf die zum Hotel gehörende Mole. Die Sonne ist hier noch angenehm
warm. Dann heisst es Aufbruch, die letzte Fahrt mit dem Magirus führt uns zum
Flughafen. Der aktuelle Kilometerstand ist nun 117'590, also hat uns das tolle
Ding 2670 Kilometer weit transportiert. Lufthansa fliegt etwas früher, sodass
uns noch Zeit bleibt, nach dem Abschied von B. und H., im Freien die letzte
Stunde zu verbringen. Am Dutyfree kommen wir nicht schadlos vorbei. Der
anschliessende Flug nach Zürich vergeht sehr schnell. Am Flughafen erwarten uns
H. und R., auch S. und D. haben es sich nicht nehmen lassen, uns gebührend zu
begrüssen.
Copyright © für Text und alle Bilder, by Bernhard Gravenkamp.